Sibylle Knauss
1944 geboren, wuchs im Ruhrgebiet auf und studierte Germanistik und Theologie, lebt in der Nähe von Stuttgart. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, darunter der Bestseller Evas Cousine, den die New York Times im Jahr 2002 unter die Books of the Year wählte. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete sie als Professorin an der Filmakademie Baden-Württemberg im Bereich Drehbuch. Publikationen (Auswahl): Die Missionarin (1997), Die Marquise de Sade (2006), Eden (2009), zuletzt: Fremdling (2012 alle: Hoffmann und Campe).
Am Anfang war das Tier. Es war kein Herrentier. Es besaß weder die Kraft noch die Schnelligkeit, um sich an der Spitze der Nahrungskette zu etablieren. Es war ein spät evolviertes Tier, keines der bewährten Erfolgsmodelle wie Mollusken oder Lurche oder Meerkatzen. Wie sie da durch die Savanne schlichen, sahen sie eher aus wie Nachfahren, letztes versprengtes Häufchen einer degenerierten Art. Spätlinge, keine Vorläufer. Elendsgestalten. Untergangsgeweiht. Nichts an ihnen wies auf die glanzvolle Zukunft als Beherrscher des Globus hin. Sinnlose Spezialisierung auf zwei Beinen zu gehen, wenn man doch bei Gefahr auf die Bäume muss. Nicht die geringsten Aussichten, das Biotop Savanne je zu verlassen.
Aus: Eden, Hoffmann und Campe, 2009