Autorinnen und Autoren
Irena Brezná (Basel)
Gino C. Chiellino (Augsburg)
Catalin D. Florescu (Zürich)
Maja Haderlap (Klagenfurt)
Alma Hadzibeganovic (Wien)
Semier Insayif (Wien)
László Márton (Budapest)
Sudabeh Mohafez (Berlin)
José F.A. Oliver (Hausach/D)
Massud Rahnama (Wien)
Ilma Rakusa (Zürich)
Farhad Showghi (Hamburg)
Vladimir Vertlib (Salzburg)
Moderation
Barbara Frischmuth (Altaussee)
Ilma Rakusa (Zürich)
Martin Pichler (Bozen)

Irena Brezná

Geb. 1950 in Bratislava. 1968 Emigration in die Schweiz. Studierte Slawistik, Psychologie und Philosophie, nach dem Studium zunächst Russischlehrerin und Psychologin in der medizinischen Forschung. 12 Jahre lang Koordinatorin von Amnesty International, Engagement für die Freilassung sowjetischer politischer Gefangener. 1996 als Kriegsberichterstatterin in Tschetschenien. Arbeitete während des Kosovo-Krieges für das Schweizerische Rote Kreuz. Lebt in Basel, Schriftstellerin, Publizistin, Slawistin und Psychologin. Bücher (Auswahl): Karibischer Ball. Erzählungen und Reportagen. eFeF 1991. Falsche Mythen. Reportagen aus Mittel- und Osteuropa nach der Wende. eFeF 1996. Die Wölfinnen von Sernowodsk. Reportagen aus Tschetschenien. Quell 1997. Die Sammlerin der Seelen. Unterwegs in meinem Europa. Aufbau 2003-2007.

Am Morgen aufspringen, die Haare nach hinten binden, den langen Rock mit den Handflächen über den Schenkeln glätten, auf den Mann nicht hören, der sagt, das nütze alles nichts, sie solle ihre Kreise in der Familie drehen, er werde sie verlassen, solch eine Frau bringe ihrem Mann Unglück. Es ist aus mit dieser Stimme. Sainab hört andere Rufe, die Schreie der Zerfetzten im Pfeiffen der Geschosse. Das ist ihre Moral und ihre Familie. Sainab fliegt wie ein Granatsplitter, wie Hunderttausende von Granatsplittern, bohrt sie sich in neue Körper hinein, wandert unter der Haut. Die erste Rakete, die neben ihrem Haus in Grosny einschlug, als Sainab in der Küche stand, hat sie nach ihrem Bild geformt. Der Einschlag, die Wucht und die verstreuten Fragmente der Welt, das ist Sainab. Der Krieg ist ihre Unruhe, und sie ist seine Tochter. Manchmal denkt sie: Der Krieg ist mir alles geworden.

(Die Sammlerin der Seelen)

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