Anna Kim

Geboren 1977 in Südkorea. Stationen: 1978-1983 Braunschweig & Gießen (D), 1983-2000 Wien, 2000-2002 London & Cambridge (GB), lebt und arbeitet seither wieder in Wien. Studium der Philosophie und Theaterwissenschaft an der Universität Wien. Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften (u.a. manuskripte, SALZ) und Anthologien. Gem. mit Anna Stangl: Hunde ziehen vorbei. Text von Anna Kim, Comet Books 2005. 2004 erschien die Erzählung Die Bilderspur im Literaturverlag Droschl.

Merkmale erster Flucht: Die Pinsel bleiben gewaschen, gespült. Die Fotografie eines Hauses in seinen Augen: Mit Ziegeln überdacht, von Backsteinmauer umgeben. Am nächsten Tag beobachte ich Vater Bilder, Zeichnungen stapeln, in Kartons verstauen, mit breitem Klebeband versiegeln; die Staffelei zerlegen, Farben sortieren, Kisten füllen, die mit zunehmenden Stunden verkauft, verschenkt werden. Den Zeichenblock, den er in seinen Händen wiegt, erbitte ich für künftige Tage; er wird mir von seiner Stirn verweigert. Vater beginnt, Privates zu bündeln, Papiere zu horten, Kleider zu packen. Ich frage warum. Er versucht zu erklären, nimmt Wörter zwischen die Zähne, bringt knirschend die eine, andere Ausflucht hervor. Stottert, ich müsse bleiben, ich hätte mich angepasst, er wolle keine Wurzeln ausreißen, er aber müsse gehen, er deutet auf das Haus, das rote Dach, die kletternden Ziegel, Heimat haben.

(Die Bilderspur)

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