Portrait Marlene Streeruwitz
Foto: Marija Kanizaj

Marlene Streeruwitz

geboren 1950 in Baden bei Wien; lebt in Wien, London und New York. Erregte in den neunziger Jahren mit ihren Theaterstücken, u.a. Sloane Square, Waikiki-Beach, Aufsehen; veröffentlichte zahlreiche Romane, zuletzt Die Schmerzmacherin (2011), Nachkommen (2014), Yseut (2016) und den Wahlkampfroman 2016. Bezieht in Essays und Interviews regelmäßig Stellung zu aktuellen politischen Themen.

Es war kalt. Die Bäume waren fast schon kahl. Die gelben Blätter der Linden lagen auf dem Boden. Die Vroni ging auf dem Ring zur Löwengasse. Sie ging gerade vor dem ehemaligen k.u.k. Kriegsministerium, da läutete ihr Handy. […] Es war ihre Mutter.„Vroni, meine Maus. Bist du das?“, fragte sie. „Deine Stimme klingt so komisch.“ „Deine aber auch“, antwortete die Vroni. „Ist etwas passiert.“ „Das kann man sagen“, erwiderte die Mutter. „Stell dir vor, was mir passiert ist. Ich habe dir doch von diesem blauen Betriebsrat erzählt. Ich treffe den gerade in der Tiefgarage und wir reden so über alles Mögliche und dann über die Wahl in den USA. Und dann sagte der, dass er sicher ist, dass dieser Trump es werden wird. Und dann stützt der sich so auf dem Autodach auf und schaut mich an. ‚Weißt du‘, sagt er dann. ‚Wenn der gewonnen hat, dann kann ich dich ,Blöde Fotze‘ nennen, ohne dass mir etwas passiert.‘ Und das Schlimmste ist, dass der sich großartig vorgekommen ist, weil er mir das so indirekt sagt und nicht ins Gesicht.“

Vronis Mutter seufzte. „Was kommt da auf uns zu?“, fragte sie.

Aus: Wahlkampfroman 2016. „So wird das Leben“, 15. Folge

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