Wochenendgespräche 2018: „Musik“

Mit Liedertexten habe ich begonnen, Mitte der 1980er-Jahre, ganz Kind des Aufbegehrens, Punk war meine Musikrichtung, und so hörten sich dann auch meine Texte an, aber immerhin, ein Grundstein war gelegt. Schnelle Rhythmen, Kontraste und Zäsuren spielten dann auch bei meinen ersten Gedichten eine Rolle, auf der formalen wie inhaltlichen Ebene, ich experimentierte mit Worten, arbeitete viel mit Zeilensprüngen, ich sang meine Texte, las sie mir laut vor, der Klang war mir wichtig. Bald schrieb ich einen Text nach dem anderen, versuchte mich in den klassischen Formen, schrieb Sonette, Balladen, Terzinen, rhythmisierte in der Prosa meine Sätze, verfasste Texte nach dem Prinzip der Zwölftonmusik. Über Tage hinweg hörte ich mir die Klaviersonaten Schuberts an, fasziniert von anarchischen Akkorden – und ich fühlte das Kind des Aufbegehrens wieder in mir.

Die Musik spielt also seit meinen literarischen Anfängen eine Rolle und sie wirkt sich nach wie vor auf meine Arbeit aus. Als ich beispielsweise an meinem Band mit Erzählungen „In einer Bar unter dem Meer“ schrieb, hatte jede Erzählung ein eigenes Lied. Ich hörte es mir vor und nach und manchmal auch während des Schreibens an. Das Lied schuf somit einen Raum, den ich betrat, es rückte mir Situationen, Figuren und Orte vor Augen – ich brauchte das Lied nur anzuspielen, ein paar Takte genügten, und schon war ich wieder mittendrin in der Erzählung. Ganz ähnlich geht es mir beim Schreiben von Gedichten, mein jüngster Lyrikband steht ganz im Zeichen der Vagantenlyrik, viele der Gedichte ähneln Liedern. Zudem suche ich – wie Mitte der 1980er-Jahre – wieder vermehrt die Zusammenarbeit mit Musikern, ob es junge Komponisten von der Musikhochschule Mannheim sind, ob Soundtüftler an ihren PCs oder Musiker wie Oliver Welter von der Band Naked lunch, mit dem ich Gedichte von Gert Jonke interpretiert und aufgenommen habe.

Mit Liedertexten habe ich angefangen, Liedertexte schreibe ich immer noch, und wer weiß, vielleicht werde ich noch zum Bänkelsänger, soll mir nichts Schlimmeres passieren.

Christoph W. Bauer

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