Über Literatur und Film kann ich leider nur als Konsument sprechen, weil ich mit beiden Branchen beruflich wenig am Hut habe. Ich arbeite hauptsächlich fürs Fernsehen, das hier vielleicht dem Film zugerechnet wird. Was aber ziemlich gewagt ist, weil der Film von Geburt an eine visuelle Kunstform ist. Auf der großen Leinwand konnte man schon immer mit Licht Bilder zaubern. Auf quadratisch kleinen, grieseligen Schwarz-Weiß-Röhrengeräten war das kaum möglich. So hat das Fernsehdrama seine Wurzeln auch eher im Theater als im Film. Und die Fernsehserie in der Literatur, im viktorianischen Fortsetzungsroman. Wenn man heute die Pickwicker von Charles Dickens liest, dann könnte man meinen, es wäre eine Vorlage für eine Wes Anderson Serie von HBO.

Der amerikanische Kabelsender HBO und die technologischen Erneuerungen der letzten Jahre haben der Fernseh-Serie einen unglaublichen Innovationsschub verpasst, der sie zur boomenden Erzählform des 21. Jahrhunderts katapultiert hat. Mit der Entwicklung von Leinwandgroßen, hochauflösenden Bildschirmen stand der visuelle Werkzeugkasten des Kinos nun auch dem Fernsehen zur Verfügung. Und die Erfindung von DVD und Streaming ermöglichte es, komplexe Welten und Charakterentwicklungen über viele Stunden hinweg zu erzählen. Was früher nur im Roman möglich war. Und so wurde aus dem Fernsehen, dem Schmuddelkind der Kultur, plötzlich der erfolgreichste Romanverlag unserer Zeit.

Abseits der narrativen Verwandtschaften von Literatur und Fernsehen ist natürlich für uns auch der Blick hinter die Kulissen interessant. Auf welche real existierenden Verhältnisse stößt der Autor in Literatur und Fernsehen? Man munkelt ja, dass der Literaturbetrieb seine Autorinnen mit Respekt behandelt, dass es inhaltliche und dramaturgische Freiheiten gibt, von denen wir Fernsehautoren nur träumen können. Dafür eröffnet das Fernsehen Arbeits- und Kollaborationsmöglichkeiten, die vielen Literatinnen eher fremd sind. Und man erreicht ein Massenpublikum, von dem selbst Bestsellerautorinnen nur träumen können.

Fernsehen und Literatur haben auf jeden Fall eines gemeinsam. Sie haben vielen Menschen das vergangene Jahr um einiges erträglicher gemacht. Nicht umsonst gelten Buchläden mittlerweile als systemrelevant. Ich finde, das Fernsehen ist es auch. Wir brauchen es, wie Orson Wells meinte: “I hate television. I hate it as much as peanuts. But I can’t stop eating peanuts.”

Clemens Aufderklamm

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