Die Faszination des Mediums Film liegt für mich insbesondere in seiner Vorbegrifflichkeit, Momenthaftigkeit und Unmittelbarkeit. Ich sehe und höre – wenn die Dramaturgie es mir erlaubt, als Zuschauerin immer das Spezifische, das Konkrete im spezifischen Moment, ein MEHR an unkontrollierbarer Wirklichkeit – den Wind in den Blättern des Baumes im Hintergrund, das einzigartige Gesicht eines Menschen – und dieses MEHR verweist auf etwas Größeres. Im besten Fall wird mir nicht angezeigt, was an Bild und Ton „relevant" ist, sondern ich kann selbst anhand der narrativen Elemente die Wirklichkeit erfahren – die von Aufnahmegeräten aufgezeichnete Wirklichkeit und die fiktive Welt des Filmes gleichzeitig. Ich muss mich einbringen und mir wird ermöglicht eine Erfahrung zu machen.

Paradoxerweise ist Film in unserer Zeit aber nicht der große Klischeebrecher, der mir ermöglicht hinter Stereotype und Konventionen zu schauen, sondern die größte Klischeeproduziermaschine geworden. Das ist einer simplen Erzählnorm geschuldet, die seit den 1980ern (vor allem in den USA) eine absolute Vormachtstellung innehat und den Großteil der filmischen Erzählung auf die „Heldenreise“ beschränkt. Markt und Produktionsbedingungen haben zur Kanonisierung dieser handlungszentrierten Erzählschablone geführt und jeder Stoff, den ich mit ihr erzähle, nimmt ihre Form an – Film wird Repräsentation von Handlung, Bild, Ton und Figur werden Funktionen des Plots. Diese Erzählschablone ist oft daran schuld, dass Adaptionen schiefgehen. Was wird aus Schlachthof 5, wenn man das Buch in die Keksform des: „Der-Gute-kämpft-einen-Kampf-gegen-Böse-und-gewinnt-ihn“ presst? Irgendwas Schreckliches. Auf jeden Fall nichts, was mit Schlachthof 5 mehr als ein paar „drollige“ Figuren gemein hat.

Grundsatz ist natürlich, dass eine Adaption ein eigenes inneres Herz, ein eigenes Thema braucht – um ein eigenständiges Werk zu werden und nicht nur eine filmische Readers Digest Ausgabe, die ich mir im Fernsehen anschauen kann, wenn ich in der Schule ein Referat über die Buddenbrooks halten muss, aber zu faul bin das Buch zu lesen.

Übersetzung in ein anderes Medium kann nicht einfach 1:1 passieren, sondern muss über ein tiefes Verständnis einen neuen Ausdruck finden. Gefühle und Erfahrungen werden in der Zuschauerin eben anders erzeugt als in der Leserin.

Den neuen Schwerpunkt zu finden für das neue Werk bedeutet oft auch große Teile der Vorlage wegzulassen und oder sich auf bestimmte Teile zu konzentrieren (Wuthering Heights Bronte/ Arnold/Hetreed) – sprachliche Aspekte rauszulassen (Die Klavierspielerin von Jelinek/Haneke) – bei Haneke fehlt der Humor! , ein Nebenthema des Textes zum Hauptthema des Filmes zu machen usw..

Durch die von mir oben angesprochene im Produktcharakter von Filmen begründete Verwahrlosung der filmischen Erzählung gibt es gar nicht so viele wirklich geglückte Adaptionen – Stalker, The hours, ... Es ist spannend sich mit Büchern zu beschäftigen die mehrmals adaptiert wurden – Wuthering Heights zum Beispiel – und sich anzuschauen, warum in den allermeisten Adaptionen die Liebe eine größere Rolle spielt als die Rache oder anders gesagt das Trauma.

Der Schrei der Eule von Highsmith wäre dazu auch ein interessantes Beispiel – eigentlich hat keine der vielen Adaptionen wirklich funktioniert – und zwar wegen der wunderbaren Hauptfiguren, die Highsmith geschaffen hat – Mörder, Diebe, in diesem Fall ein Voyeur, die sie uns aber so nahebringt, dass wir uns trotz oder sogar wegen ihrer dunklen Seiten mit ihnen identifizieren. Im Film, in dem ich immer nur die Oberfläche, die Epidermis der Welt und der Menschen wahrnehme, und davon auf ihr inneres schließe, hat das nie so gut geklappt.

Kathrin Resetarits

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