Portrait Teresa Präauer
Foto: Thomas Langdon

Teresa Präauer

geb. 1979, studierte Germanistik und bildende Kunst in Salzburg und Berlin. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. aspekte-Preis 2012 und Ben-Witter-Preis 2022; schreibt Romane, Essays und literarische Kolumnen. Im Wallstein Verlag erschienen Mädchen (2022), das Geschichtenbuch Das Glück ist eine Bohne (2021), der Großessay Tier werden (2018) sowie die Romane Oh Schimmi (2016), Johnny und Jean (2014) und Für den Herrscher aus Übersee (2012). Bei Hatje Cantz erscheint im Juni 2022 Cranach. A–Z.

Wer sich mit Texten ins Bett legt, wacht mit Buchstaben auf, heißt es. Einen Sack voll Buchstaben hat man zu hüten, einen ganzen Buchstabenzirkus zu bändigen und zu dirigieren! Ich habe mich in die Lehre begeben und bin, obwohl doch vom Himmel gefallen, noch keine Meisterin geworden.

Aber ich habe, da ich Texte schreibe, auch Buchstaben aus Bleilettern gesetzt, mit der Pinzette Haarstriche dazwischengefügt, Punkte und Kommata gesucht, den Satzspiegel abgebunden und vorher seitenverkehrt gedacht, fast jedes Mal korrekt. Und ich habe es auf einmal, plötzlich, gesehen, wo der Buchstabe „g“ einer Schriftart rund war und geschwungen oder wo das „O“ einer anderen so viel Fleisch gehabt hat. Oder auf der Straße, plötzlich, wo Schriften verzerrt oder nicht proportional gesetzt worden sind, ich habe Schriften gesehen, diese feinen Linien an den Enden der Buchstaben, und sehr viel Comic Sans, diese Kindergeburtstagsschrift […]

[…] Und die Buchstaben, das Schreiben und die Schrift, haben mich gelehrt, neu über einzelne Wörter nachzudenken, über Bindestriche und Doppelpunkte, ganze Texte, und ich habe mich ins Bett gelegt mit Hunden, mich an sie geschmiegt und habe so herrlich geträumt.

Aus: Wer sich mit Texten ins Bett legt;
in: Das Glück ist eine Bohne und andere Geschichten
. Wallstein 2021




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