Portrait Maddalena Fingerle
Foto: Julia Mayer

Maddalena Fingerle

1993 in Bozen geboren, studierte Germanistik und Italianistik in München und arbeitet derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität München. Das Romanmanuskript Lingua madre hat 2020 den renommierten Italo-Calvino-Preis für das beste unveröffentlichte italienische Debüt gewonnen; nach Erscheinen folgten zahlreiche Preise. Auf Deutsch: Muttersprache. Roman. Übersetzt von Maria E. Brunner. Folio 2022.

Die Schule ist für mich echt die Hölle: Sie ist voller Leute und die Leute tun nichts anderes, als mir die Wörter dreckig zu machen. Der Einzige in der Klasse, den ich ertrage, ist Jan Einstatt. Das Allererste, was er zu mir sagt, ist: Prescher, kennst du Marco? Ich: Nein. Er: Der ist zweisprachig wie mir. Und ehrlich, Jan mag mich, auch wenn er mich mit meinem Familiennamen anredet und echt komische Sachen sagt. Er erzählt mir, dass sein Großvater die Katakombenschule besucht hat und die deutschen Schulbücher im Fahrradkorb versteckt hat, unter den Kartoffeln. Jan ist echt davon überzeugt, zweisprachig zu sein. Und dazu kommt noch, dass er nicht viel redet, zum Glück. In der Schule fragen sie ihn immer, ob er sich als Deutscher oder als Italiener fühlt, und er sagt, er fühlt sich als Südtiroler, dann denkt er ein wenig nach und dann sagt er auch noch: Europäer.

Aus: Muttersprache. Roman. Folio 2022




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