Portrait Robert Prosser
Foto: Günter Mik

Robert Prosser

1983 in Alpbach in Tirol geboren. Studium der Komparatistik und der Kultur- und Sozialanthropologie. Autor, Performer, Wortakrobat, Grenzgänger im Bereich Literatur/Musik. Ausgezeichnet u. a. mit dem Reinhard-Priessnitz­-Preis 2014. Publikationen: Strom. Ausufernde Prosa (2009), Feuerwerk. Prosa (2011), Geister und Tattoos. Roman (2013), Phantome. Roman (2017), Gemma Habibi. Roman (2019), Beirut im Sommer. Journal (2020), Verschwinden in Lawinen. Roman (2023). Robert Prosser lebt in Alpbach und in Wien. 

Es stimmte, dass diese Ziege nie ein Kitz gehabt hatte, milchige Fettschlieren bedeckten ihr Inneres, eine Mutter wäre viel abgezehrter gewesen. Vorsichtig löste er die Gallenblase, trat einen Schritt zurück. Wartete. Lange schon machte er diese Arbeit, doch der entblößte Leib setzte ihm zu. Das fahlrote Herz, die bläulichen Lungen, die braun schimmernde Leber und unterhalb der Rippen die dunkelvioletten Nieren. Er wusste, es war naiv, darüber nachzudenken. Aber wie schnell es ging und wie einfach. Und wie seltsam, dass er dafür verantwortlich war. Wind fegte körnigen Schnee in die Kammer. Das hohle Knacken aneinanderschlagender Äste, Böen jagten durch den nahen Wald. Zumindest garantierte das schlechte Wetter Tarnung. Manchmal kreuzten Wanderer auf. Der Tourist, der gestern Abend gegenüber der Kirche gestanden war: Er würde auch hier fotografieren oder filmen, weil er glaubte, etwas Ursprüngliches entdeckt zu haben. Alles bereits vorgekommen.

Aus: Verschwinden in Lawinen. Roman. Jung und Jung 2023




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