Portrait Carolina Schutti
Foto: Simon Rainer

Carolina Schutti

1976 in Innsbruck geboren. Studierte Germanistik, Anglistik, Amerikanistik und klassische Gitarre und absolvierte eine Gesangsausbildung. Nach einigen Jahren Unterrichtstätigkeit und nach ihrer Promotion über Elias Canetti Lektorin an der Universität Florenz, ehe sie 2010 ihr zum Rauriser Literaturpreis nominiertes Debüt Wer getragen wird, braucht keine Schuhe publizierte. Der zweite Roman Einmal muss ich über weiches Gras gelaufen sein (2012) wurde mit dem European Union Prize for Literature ausgezeichnet, 2015 erschien die Novelle Eulen fliegen lautlos (Alois-Vogel-Literaturpreis), 2020 folgte Patagonien. Hörspiele, Texte für interdisziplinäre Theaterprojekte und ein Lyrikband (nervenfieber, 2018). Ihre Bücher wurden in 16 Sprachen übersetzt. 2021 erschien der Roman Der Himmel ist ein kleiner Kreis (mit einem Ausschnitt daraus wurde sie zum Ingeborg-Bachmann-Preis 2020 nominiert), 2022 Meeresbrise im Literaturverlag Droschl.  

Wir versuchen, uns Eier zu kochen. Wir haben keine Ahnung, wie das geht, denn Kinder haben sich vom Herd fernzuhalten, die Mutter hat für die Kinder zu sorgen, die Mutter trägt die Bürde, zu entscheiden, was auf den Tisch kommt und zu welcher Zeit, die Mutter hat dafür Sorge zu tragen, dass sich die Kinder kein kochendes Wasser über die Brust schütten, und dafür, uns auch noch in die Geheimnisse der Kochkünste einzuweihen, hat sie bei Gott keine Kraft. Wir füllen Wasser in den Topf, schalten die Herdplatte ein, warten, bis Bläschen aufsteigen, lassen ein Ei hineinfallen. Meine Schwester schreit. Ein kochender Wassertropfen ist auf ihre Stirn gespritzt, ich halte ihr den Mund zu, sie schlägt um sich, als würde sie an der Verbrühung sterben, die Mutter stößt die Tür auf, sie schreit lauter als meine Schwester, sie reißt ihr das Kleid vom Körper, ehe sie begreift, dass es trocken ist.

Aus: Meeresbrise. Droschl 2023




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