Susanne Gregor
Geboren 1981 in Žilina (Tschechoslowakei), zog 1990 mit ihrer Familie nach Oberösterreich, studierte Germanistik und Publizistik in Salzburg und lebt heute in Wien. Für ihre literarische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Publikationen: Kein eigener Ort. Roman (2011), Territorien. Roman (2015), Unter Wasser. Erzählungen (2018), Das letzte rote Jahr. Roman (2019), Wir werden fliegen. Roman (2023), Halbe Leben. Roman (2025).
Schwarz wollten sie niemanden beschäftigen, darin waren Klara und Jakob sich einig. Eine Agentur soll sich um alle nötigen Unterlagen kümmern, und überhaupt, an Geld soll es nicht scheitern, ihre Mutter hatte es schwer genug gehabt, wenigstens jetzt soll sich jemand richtig gut um sie kümmern. Seit dem Schlaganfall ist sie manchmal orientierungslos und vergisst, wo sie ist, was zu Problemen führt, wenn sie etwa allein losgeht, um einzukaufen. Ganz einfache Dinge wie Kochen, Spazierengehen, ein Bad nehmen sollte sie nicht mehr allein machen, was sie nicht einsieht, die ständige Überwachung macht sie gereizt, es kann sein, dass sie unwirsch reagiert, wir suchen also jemanden, der, na ja, resilient ist, erzählt Klara der Agenturchefin, die mit einem hochfrisierten blonden Zopf vor ihr sitzt und sich nickend Notizen macht. (…) Nein, so schlimm ist es nicht, korrigiert sie, sie ist im Kern ein guter Mensch, es ist bloß eine Komplikation als Folge des Schlaganfalls, ein sogenanntes Delir, bestimmt haben Sie schon davon gehört, oder vielleicht auch nicht, die Ärzte sagen auf jeden Fall, es sei durchaus reversibel, es gibt also Aussicht auf Besserung, sagt sie, und die Frau sieht lächelnd von ihrem Block auf, hatten wir alles schon, beruhigt sie Klara, machen Sie sich keine Sorgen.
Aus: Halbe Leben, Zsolnay 2025

Foto: Heribert Corn / Zsolnay Verlag