Arbeiten
Liebe Arbeitswelt,
ich bin umgänglich, rücksichtsvoll, manchmal mürrisch oder verzweifelt. Ich helfe gern. Es fällt mir schwer, mich zurückzuziehen, mich nicht angesprochen zu fühlen. Ich nehme einige Dinge persönlich und kann einen bevormundenden Tonfall nicht leiden, genau genommen auch nicht verkraften. Sowieso kann ich viele Dinge nicht sonderlich gut verkraften, vor allem jene, die mich fragen lassen: Warum um alles in der Welt handelt jemand so? Jetzt! In dieser Zeit! Warum um alles in der Welt trifft jemand diese katastrophale unternehmerische oder personelle Entscheidung? Will jemand eine andere Gruppe, zum Beispiel auch mich, verhöhnen, ausschließen, durch vermeintlich starke Entscheidungen erziehen?
Liebe Arbeitswelt, ich bin immer auf der Hut.
Ich plaudere auch gern und lasse mich bereitwillig ablenken. Ich halte die Ablenkung und das Abschweifen mittlerweile für ein wesentliches und sinnvolles Werkzeug. Ich neige zur Langsamkeit, aber bin plötzlich wieder so schnell, dass alle denken, ich sei sonderbar und rede Unfug. In mir kann man eine zuverlässige Kollegin, Kollaborateurin haben, eine, die immer mit Respekt behandelt werden will und andere mit Respekt behandelt. Choleriker*innen oder Patriarchen, seien sie auch verborgen hinter zeitgenössischem Vokabular und Habitus, erkenne ich nahezu sofort und respektiere sie nicht. Denn ein cholerisches oder patriarchalisches Verhalten an den Tag zu legen, ist schlichtweg diskreditierend. Ich zucke zusammen, wenn Choleriker*innen schreien, und fürchte ihre Ausbrüche, ich fürchte auch das Machtgehabe der Patriarchen, aber ich kann nicht anders, als sie spüren zu lassen, dass ich von ihrem Verhalten nichts halte. Dafür strafte man mich regelmäßig ab, aber keine Strafe verfing dauerhaft. Ich versuche, immer so zu leben, dass keine Strafe mich erwischt.
Das beschreibt mich grob. Ich bewerbe mich hier um keine Stelle, aber es gibt mich, und solange Du, sogenannte Arbeitswelt, Dir keine Mühe gibst, rundum menschenfreundlich und dem Leben zugewandt zu werden, kann ich Dir, Arbeitswelt, und den auf Dich vorbereitenden Strukturen nicht vertrauen.
Vielen Dank.
Heike Geißler